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Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!

Wichtig!
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GLP-1 Analoga

Die Geschichte der Erforschung der Inkretine ist in dem entsprechenden Grundlagenkapitel beschrieben. Dort endet sie Anfang der 80er Jahre mit der Formulierung des Inkretin-Konzeptes durch Prof. Creutzfeld:
Inkretine führen nach Nahrungsaufnahme glucoseabhängig zu einer vermehrten Freisetzung von Insulin Einen weiteren Anschub erfuhr die Inkretin-Erforschung dann 1992, als der New Yorker Endokrinologe Dr. John Eng feststellte, dass das Hormon Exendin-4, welches er im Speichel der Gila-Krustenechse fand, die gleiche Wirkung hat wie das menschliche GLP-1 (Glukagon-Like-Peptide-1).

Während menschliches GLP-1 nur eine Wirkdauer von wenigen Minuten hat, bevor es vom Enzym DPP-4 aufgelöst wird, ist dies beim Exendin-4 nicht der Fall. Und obwohl es nur zu 50% deckungsgleich zum GLP-1 ist sind die Auswirkungen auf den menschlichen Organismus doch identisch. Also musste es ja auch möglich sein, dieses Hormon künstlich herzustellen und so in Mengen zur Verfügung zu haben, die es für den Einsatz in der Diabetestherapie interessant machen.

Viele Forscherteams arbeiteten dann daran, hier in Deutschland zum Beispiel die Brüder Prof. Dr. Burkhard Göke und Prof. Dr. Rüdiger Göke, die ich beide schon das Vergnügen hatte persönlich auf Symposien zu hören. Insbesondere Prof. Dr. Burkhard Göke war es dann auch, der meine Begeisterung für die Inkretine mit seinem Vortrag auf dem Essener Diabetes Forum 2004 auslöste. Beide haben der Inkretin-Erforschung gewaltigen Aufschwung gegeben, und ich hab es seit diesem faszinierenden Vortrag sehr genau verfolgt.

Damit war eine neue Substanzklasse geboren: die Inkretin-Mimetika (vom griechischen "Mimese", was in etwa soviel bedeutet wie "von der Natur nachgeahmt"), bzw. GLP-1 Analoga, weil diese Mittel analog zum menschlichen GLP-1 wirken.

Interessant sind die Inkretin-Mimetika vor allem durch ihre physiologischen Auswirkungen:

  • Glucoseabhängige Stimulation der Betazellen ab einem BZ von mehr als 70 mg/dl (3,9 mmol/l), dadurch keine Hypoglykämien
  • Glucoseabhängige Unterdrückung der Glukagonsekretion bis zu einem BZ von kleiner als 50 mg/dl (2,8 mmol/l)
  • Verzögerung der Magenentleerung
  • Verringerung der Nahrungsaufnahme durch ein vermindertes Hungergefühl
  • Verringerung der Glucoseausschüttung durch die Leber
  • Protektive (=schützende) Wirkung auf die Betazellen

Insbesondere den erstgenannten Punkten kommt beim Typ-2 Diabetes besondere Bedeutung zu. Diese Menschen haben neben der Insulinresistenz nämlich sehr häufig auch noch eine Dysfunktion der Betazellen, die sich als sogenannte "Sekretionsstarre" äußert. Beim Nichtdiabetiker verläuft die Insulinsekretion biphasisch: in der ersten Phase werden die Vesikel der Betazelle entleert, so dass es zu einem kurzen Anstieg der Insulinsekretion kommt. Dadurch läuft die Synthese von neuem Insulin an, das in einer zweiten Phase dann glucoseabhängig sezerniert wird. Bei diesen Prozessen kommt dem GLP-1 besondere Bedeutung zu, denn es ist hieran zu 50-70% beteiligt. Allerdings haben die meisten Typ-2 Diabetiker nicht nur eine Schwäche in der Insulinsekretion (Betazell-Dysfunktion) sondern auch in der GLP-1-Sekretion.

Schon mit dem ersten Inkretin-Mimetikum (Exenatide von der Firma Lilly, die auch schon das erste Insulin herstellte) konnte gezeigt werden, auf welche Art Typ-2 Diabetiker davon profitieren:

  • die erste Phase der Insulinausschüttung konnte wiederhergestellt werden, was zu einer deutlichen Verbesserung der postprandialen BZ-Peaks führte
  • durch die Absenkung der Glukagon-Sekretion, die bei Typ-2 Diabetes häufig erhöht ist, konnte der Glucoseausstoß der Leber verringert werden
  • die Auswirkungen auf das Gehirn, bzw. das Sättigungszentrum dort führten zu einer verminderten Kalorienaufnahme, die sich günstig auf das Körpergewicht auswirkte

In Vergleichsstudien, bei denen Exenatide gegen Placebo, bzw. Lantus® und NovoMix® 30 getestet wurde kam es bei den Insulinanaloga zu einer Gewichtszunahme, während es unter Byetta® immer zu einer Gewichtsreduktion kam. Wegen der kardiovaskulären Auswirkungen von viszeralem Fett, bzw. des dort sezernierten Interleukin 6, ist die Gewichtsreduktion bei Typ-2 Diabetikern natürlich höchst wünschenswert. Da GLP-1-Analoga Eiweiße sind kann man sie nicht in Tablettenform einnehmen. Sie müssen subkutan gespritzt werden.


 

Mögliche Nebenwirkungen:
Fast jeder zweite muss damit rechnen, dass es durch die Therapie mit GLP-1-Analoga anfänglich zu Übelkeit kommt. Das kann bis zum Erbrechen führen, legt sich in der Regel aber nach einigen Tagen. (Diese Übelkeit ist übrigens nicht die Ursache für die beobachtete Gewichtsreduktion, denn diese zeigte sich auch nach mehreren Wochen noch, als die Übelkeit schon nicht mehr auftrat).
In Kombination mit Metformin kommt es nicht zu vermehrten Hypoglykämien, wohl aber in Kombination mit Sulfonylharnstoffen (siehe "Wechselwirkungen").
Ggf. ist hier dann die Dosierung der Sulfonylharnstoffe zu reduzieren.
In Einzelfällen (insbesondere bei bestehender Prädisposition) konnte man bei Exenatide eine Entwicklung bzw. Verschlimmerung von Pankreatiden (Bauchspeicheldrüsenentzündungen) entdecken. Bei den Symptomen dazu (schwere anhaltende Bauchschmerzen mit Erbrechen) sollte man daher umgehend den behandelnden Arzt konsultieren und bis zur Abklärung evtl. die Therapie mit Exenatide unterbrechen.
Hier wieder mein eindringlicher Rat: Bitte machen Sie nichts auf eigene Faust weil sie es hier oder anderswo gelesen haben. Sprechen Sie vorher alles mit ihrem behandelnden Arzt ab!

Gegenanzeigen:
Bestehende Pankreatitis, Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der Hilfsstoffe
Da die Auswirkungen auf Schwangerschaft und Stillzeit noch nicht hinreichend untersucht wurden sollte Exenatide in diesen Fällen nicht angewendet werden.

Wechselwirkungen:
Die Wirkung von Sulfonylharnstoffen kann erhöht werden, was zu Hypoglykämien führen kann.
Insbesondere die Auswirkung auf die Magenentleerung (Verzögerung derselben) muss beachtet werden, wenn GLP-1-Aanaloga zusammen mit oralen Mitteln genommen wird, die eine schnelle Bioverfügbarkeit erreichen sollen. Diese Tabletten sollten daher eine Stunde vor der Gabe von GLP-1 Analoga genommen werden. Insbesondere gilt dies für Medikamente, bei denen es auf einen gewissen Wirkstoffspiegel ankommt wie Kontrazeptiva und Antibiotika.

Produkte: (Wirkstoffnamen in Klammern)
Byetta® (Exenatide)
Bydureon® (Exenatide; muß nur einmal wöchentlich gespritzt werden)

Victoza® (Liraglutide; der Unterschied zu Byetta besteht im Wesentlichen darin, dass Victoza nur einmal täglich (Byetta: zweimal täglich) verabreicht werden muss)