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Inkretine

"Inkretine sind Hormone, die bei Nahrungsaufnahme im Darm gebildet und freigesetzt werden"

Was hier noch so unspektakulär klingt hat eine lange Geschichte, die mich schon seit Jahren fasziniert.

Erste Hinweise auf deren Vorhandensein stammen aus dem Jahr 1902, als man noch nicht genau wusste was man da eigentlich beobachten konnte: zwei englische Physiologen, Ernst Henry Starling und William Maddock Bayliss entdeckten, dass selbst wenn man alle Nervenbahnen zum Pankreas durchtrennt dieser immer noch Verdauungsenzyme abgibt, sobald der Mageninhalt den Darm erreicht. Man fand heraus, dass die Schleimhaut des Dünndarms einen Stoff abgibt, den die beiden zuerst "Sekretin" nannten. Etwas später, als man auch noch andere solcher Stoffe fand, änderten sie den Namen in "Hormon", abgeleitet aus dem griechischen für "etwas antreiben" (Was die Hormone ja auch tun).

Die Forschung um diese Hormone, die das Pankreas antreiben, geriet wieder etwas in Vergessenheit, bis Mitte der 60er Jahre zwei Forschergruppen um Elrick und McIntyre (später auch andere) unabhängig voneinander nachweisen konnten, dass die Plasmainsulinspiegel bei oral verabreichter Glukose deutlich höher anstiegen, als wenn man die gleiche Menge intravenös (parenteral) appliziert.

Es musste also direkt mit der Stimulation des Verdauungstraktes zu tun haben.
Das erste Hormon, das man dazu fand nannte man GIP ("Gastric Inhibitory Polypeptide"; manchmal auch mit "Glucose-dependent insulotropic Polypeptide" übersetzt), etwas später dann das GLP-1 (Glukagon-like-Peptide 1), das man wegen seiner Ähnlichkeit zu einer Glukagon-Vorstufe so nannte. Beide fasste man zusammen zur Gruppe der Inkretine.

Vergleicht man die Plasmainsulinspiegel (gemessen mit dem Surrogatparameter C-Peptid) aus oraler und parenteraler Gabe von Glucose, indem man die Kurven übereinanderlegt, so ergibt sich eine Fläche, die ausschließlich auf die Wirkung der Inkretine zurückzuführen ist. Das nennt man den Inkretineffekt:.

Schema des Inkretineffekts

1979 formulierte Prof. Werner Creutzfeld daraus das Inkretinkonzept: Inkretine führen nach Nahrungsaufnahme glucoseabhängig zu einer vermehrten Freisetzung von Insulin. Später fand man auch GLP-1 ähnliche Strukturen bei Knochenfischen, die bereits vor über 150 Millionen Jahren gelebt haben. Auch manche Reptilien besitzen ähnliche Hormone die sie dazu befähigen, nur 1-2-mal im Jahr etwas zu essen.

Beim Menschen wird GLP-1 in den L-Zellen des Darms synthetisiert. Von der Natur ein erstklassiger Mechanismus, der unter anderem dazu dient, möglichst keine Energie aus der Nahrung ungenutzt zu verlieren. Denn GLP-1 bewirkt auch eine Verlangsamung der Magen-Entleerung und hilft somit, die Energie aus dem Nahrungsbrei möglichst umfassend vom Körper aufnehmen zu lassen.

Hatte man ursprünglich noch das GIP als Hauptverantwortlichen für den Inkretineffekt angenommen revidierte man diese Meinung wieder, als man im Experiment bei ausgeschaltetem GIP feststellen konnte, dass das fehlende GIP den Inkretineffekt um gerade mal 20% reduzierte, der Effekt ohne GLP-1 aber kaum noch nennenswert war.

In der Folge galt natürlich dem GLP-1 das Hauptaugenmerk, weil man darin einen vielversprechenden Ansatz für die Diabetestherapie sah. Leider gelang es aber nicht ein stabiles GLP-1 zu erzeugen, was unter anderem an der kurzen biologischen Verfügbarkeit lag. Schon nach 1-2 Minuten wird körpereigenes GLP-1 von dem Enzym Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP-4) deaktiviert.
Außer an der Bauchspeicheldrüse finden sich Rezeptoren für GLP-1 in der Leber, den Skelettmuskel und Fettgewebszellen, sowie im Gehirn (was vermutlich auch das nachlassende Hungergefühl nach GLP-1 Expression erklärt).

Neben den Auswirkungen auf die Insulin- und Glukagonsekretion hat GLP-1 auch eine stimulierende Wirkung auf die Betazell-Neubildung, bzw. verringert die Apoptose (den "programmierten Zelltod") der Betazellen.

Zusammengefasst kann man dem Inkretineffekt folgende Eigenschaften attestieren:

  • Glucoseabhängige Stimulation der Betazellen ab einem BZ von mehr als 70 mg/dl (3,9 mmol/l), dadurch keine Hypoglykämien

  • Glucoseabhängige Unterdrückung der Glukagonsekretion bis zu einem BZ von kleiner als 50 mg/dl (2,8 mmol/l)

  • Verzögerung der Magenentleerung

  • Verringerung der Nahrungsaufnahme durch ein vermindertes Hungergefühl

  • Verringerung der Glucoseausschüttung durch die Leber

  • Protektive (=schützende) Wirkung auf die Betazellen