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Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!

Wichtig!
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Sport und Diabetes

Das Verhalten des BZ beim Sport habe ich mir exemplarisch herausgesucht um einen roten Faden für die Stoffwechselvorgänge unter körperlicher Belastung zu haben.

Unter körperlicher Belastung verbraucht die Muskelzelle natürlich mehr Energie als im Ruhezustand. Diesen Mehrbedarf kann sie auf dreierlei Art decken:

  • Über die Glykogenvorräte (Vor Sport bis zu 1,5g pro 100g Muskelmasse; nach dem Sport ist ein Absinken bis zu 0,1g möglich)
  • Über die Glucose aus dem vorbeiströmendem Blut
  • Über die Oxidation von Fettsäuren

Die Reihenfolge ist hierbei abhängig vom Trainingszustand. Zuerst werden die muskulären Glykogenspeicher abgebaut und verwertet, als nächstes dann die hepatischen (=aus der Leber stammenden) Glykogenvorräte. Besser trainierte Körper greifen dann eher auf die Fettreserven zu (und reagieren mit einem weniger starken BZ-Abfall).

Zu Beginn wird die Insulinsekretion gedrosselt (wodurch auch das Glucagon stärker wirkt) und die Katecholamine steigen an. Beides bewirkt eine Zunahme der hepatischen Gluconeogenese, wodurch den Zellen mehr Glucose zur Verfügung gestellt wird. Außerdem wird durch das nun verminderte Insulin die Lipolyse nicht mehr so stark gehemmt und es fallen vermehrt freie Fettsäuren und Glyzerin an. Zusätzlich kann etwas später die Muskelzelle mit einem Glucosetransportmolekül (GLUT-4) mehrere Glucosemoleküle gleichzeitig in die Zelle schleusen.
Der BZ sinkt!

Beim Insulinspritzenden Diabetiker kann es nun zu einer Hypoglykämie kommen, weil das bereits gespritzte Insulin ja nicht reduziert werden kann und einerseits die Zellen weiterhin versorgt und vor allem andererseits die Gluconeogenese ausgebremst wird. Die Glucose verschwindet also schneller aus dem Blut, als die Leber für Nachschub sorgen kann.

Aus dieser Beschreibung geht auch schon der pathophysiologische Vorgang einer Hyperglykämie bei Sport im absoluten Insulinmangel hervor:
Hier steht ja kein Insulin zur Verfügung, das im Bedarfsfall die Gluconeogenese bremsen würde, so dass die Leber ungehindert immer neue Glucose ins Blut abgeben kann.
Aus diesem Grund sollte man auch bei erhöhtem BZ auf sportliche Betätigung verzichten, bzw. darum wird empfohlen, bei beginnender Ketoazidose (Insulinmangel!) auf körperliche Schonung zu achten.

In wenigen Ausnahmefällen kann es dazu kommen, dass auch beim Insulinbehandelten Diabetiker normale bis moderat erhöhte BZ-Werte unter Sport ansteigen anstatt zu fallen. Die Ursache hierfür liegt vermutlich in der Wirkung der Katecholamine, die ja insulinantagonistisch wirken.

Schlussendlich versucht die Muskelzelle nach dem Sport, ihre erschöpften Glykogenspeicher wieder aufzufüllen. Der Umstand einer erhöhten Insulinsensibilität und verbesserter Ausnutzung der GLUT-4 hält auch nach dem Sport an, weswegen es bis zu 12 Stunden nach körperlicher Anstrengung noch zu einer Hypoglykämie kommen kann. Insulinspritzende Diabetiker müssen dies berücksichtigen und nach individuellen Erfahrungswerten auch ihre Insulingaben nach dem Sport (Insbesondere ihre BE-Faktoren) entsprechend anpassen.

Langfristig führt Sport zu einer Erhöhung der Insulinsensitivität an der Muskelzelle. Für den Diabetiker heißt das, dass er so seinen Insulinbedarf langfristig reduzieren kann, was auch seinem Körpergewicht (Wir erinnern uns: Insulin ist ein anaboles Hormon!) zugute kommen kann.
Allerdings heißt das auch, dass der Diabetiker - will er sich nicht selbst gefährden - seine körperlichen Aktivitäten planen und durch entsprechende Therapiemaßnahmen (Insulin reduzieren, Sport-BE, Selbstkontrolle vor und nach dem Sport) unterstützen sollte.

 

Der glykämische Index

Irgendwann ist irgendwer mal drauf gekommen, dass eine BE nicht nur nicht wie jede andere BE schmeckt, sondern dass die auch völlig verschiedenen Einfluss auf den BZ haben können. Nach vielen Versuchen hat man sich dann darauf verständigt, dass unterschiedliche Nahrungsmittel unterschiedlich schnell im Blut landen und den BZ unterschiedlich stark anheben. (Traubenzucker wirkt schneller und heftiger als Linsen; Siehe Schema)
Als Referenzwert hat man natürlich reinen Traubenzucker zugrunde gelegt und bestimmt, dass der jetzt einen glykämischen Index (GI) von 100 hat. Dann hat man in Testreihen untersucht, wie sich dagegen andere Nahrungsmittel verhalten. Und alles, was den BZ weniger schnell/stark ansteigen ließ bekam dann einen niedrigeren GI zugeordnet, alles was schneller/stärker als Traubenzucker wirkte bekam einen höheren GI. Herausgekommen sind dann Listen ähnlich wie auf dieser Seite hier.

Allerdings wurden viele dieser Untersuchungen in den USA und Kanada gemacht, so dass es für hier erhältliche Lebensmittel keine sehr umfangreichen Listen gibt. Wie der genaue GI-Wert für ein Lebensmittel lautet ist ohnehin nicht sooo wichtig. Bevor man sich jetzt also auf konkrete Zahlen (evtl. sogar noch mit Nachkommastellen) einlässt sollte man lieber unterteilen in hoch/mittel/niedrig:

Lebensmittel mit hohem GI:
Traubenzucker, Cornflakes, Kartoffelbrei, Minutenreis, Weißbrot
Lebensmittel mit mittlerem GI:
Haushaltszucker, Milchspeiseeis, Rosinen, Pizza, Roggenbrot
Lebensmittel mit niedrigem GI:
Nudeln, Milch, Parboiled Reis, Äpfel, Kirschen, Hülsenfrüchte, Vollkornbrot


Eine sehr umfangreiche Liste findet sich hier

Was man allerdings beachten muaa: selten nimmt man die Nahrungsmittel so zu sich, wie sie in der Tabelle stehen. Werden sie nämlich mit anderen Nahrungsmitteln kombiniert (Der Fachmann spricht dann von einer Mahlzeit ) ändert sich der GI eben dieser Mahlzeit. Insbesondere Fett wirkt da GI-senkend.

Auch der glykämische Index muss sowohl bei der Auswahl des SEA wie auch der Insulindosis berücksichtigt werden. So muss man für 4 BE Weißbrot mit Magerquark einen längeren SEA wählen als für 4 BE Weißbrot mit Fleischsalat (Fett in der Mayonnaise!). Belegt man sie gar mit Ölsardinen, wäre es einen Versuch wert, zusätzlich den BE-Faktor etwas abzusenken.

 

Resorption

... meint hier den Vorgang, mit dem ein Stoff (z.B. Insulin) ins Blut übertritt.

Je nach äußerem Einflussfaktor können die Ergebnisse derart signifikant variieren, daß man sie zur optimalen Therapie zumindest einmal gehört haben sollte. Die Einflussfaktoren sind im Einzelnen:

Applikationsart: (Der wichtigste Faktor)
Insulin lässt sich sowohl subkutan (s.c.), intramuskulär (i.m.) als auch intravenös (i.v.) verabreichen; wobei die Resorptionsgeschwindigkeit in dieser Reihenfolge zunimmt.
 
Dicke der Fettschicht: (bei s.c.-Injektionen)
Zum Einen muss man bei sehr dünnen Menschen darauf achten, dass die geplante s.c.-Applikation nicht doch im Muskel landet (was wegen der schnelleren Resorption zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen führen kann) und zum Anderen sind dickere Fettschichten fast immer auch schlechter durchblutet. D.h. für die Praxis, daß die Insulinansammlung dort nicht so viel Kontaktfläche zum Blut hat und daher auch langsamer abgebaut wird. Hat man seine persönliche Resorptionsgeschwindigkeit aber mal herausgefunden ist dieser Punkt (zumindest aus resorptionstechnischer Sicht) unkritisch, denn dann kann man das in seine Therapie einplanen. Einplanen sollte man auf jeden Fall, dass die Länge der Kanüle passend zur Dicke der subkutanen Fettschicht gewählt wird. (Auch wenn manche heutzutage sagen, das wäre egal. Ich habe schon genug Fälle in der Praxis erlebt, bei denen die Verwendung einer längeren Kanüle zu einem deutlich stabileren BZ-Verlauf geführt hat)
 
Injektionstiefe: (bei s.c.-Injektionen)
Zu den tieferen Subkutis-Schichten hin nimmt das Kapillarnetz zu, so dass mit einer schnelleren Resorption gerechnet werden kann. Das erklärt auch, warum durch die Wahl einer passenderen Kanüle das Insulin besser wirken kann als mit einer zu kurzen. Kanülenlängen von 5 oder 6 Millimeter sollten wirklich nur von Kindern oder sehr "dünnhäutigen" Menschen verwendet werden.
 
Art des Insulins:
Dass es Unterschiede in der Resorption von kurz- und langwirkenden Insulinen gibt brauche ich sicher nicht extra zu erwähnen. Aber auch bei den Kurzwirkenden ist es ein genereller Unterschied, ob man nun ein Normalinsulin oder ein Insulinanalogon spritzt. Normalinsuline und Kurzzeitanaloga liegen in Gruppe zu 6 Molekülen vor (Hexamere oder "Insulin-six-pack" ), müssen aber erst in Mono- oder Dimere (also Einzel-/Zweiermoleküle) zerfallen, um resorbiert werden zu können. Insulinanaloga zerfallen jedoch in der Regel schneller, weil die Bindung der Einzelmoleküle weniger stark ausgeprägt ist, so dass sie wesentlich schneller resorbiert werden. Dementsprechend kürzer ist auch ihre Wirkdauer.
 
Umgebungstemperatur:
Körper, die lange der Kälte ausgesetzt waren neigen zum "Zentralisieren". So nennt man einen physiologischen Vorgang, bei dem körperstammferne Blutgefäße eng gestellt werden, um den lebenswichtigen Organen durch kaltes Blut nicht zuviel Wärme zu entziehen und überhaupt deren Durchblutung sicherzustellen.
 
Insulindosis:
Je höher die Einzeldosis, desto länger braucht es bis zu ihrer vollständigen Resorption. Der Grund ist einfach und physikalisch: Bei der Applikation bildet das subcutane Insulinreservoir ja eine räumliche Struktur. Und deren Oberfläche (und damit auch Kontaktfläche zum Blut) wächst nicht proportional zu derem Volumen. Aus diesem Grund ist bei Einzeldosen über 8-10 I.E. ein "Splitting", also das Aufteilen auf zwei oder mehr Resorptionsorte oft sinnvoller als eine einzige große Dosis. Als Faustregel gilt: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer.
Insulin wird aber auch schon im subkutanen Gewebe durch Enzyme abgebaut. D.h. je länger das Insulin dort verweilt, desto weniger davon kommt tatsächlich auch als Insulin im Blut an und kann biologisch wirksam werden.
 
Injektionsort:
Man kann im Subkutangewebe Orte mit minderer und Orte mit höherer Durchblutung unterscheiden. Allgemein wird die Gegend um den Bauchnabel (periumbilikal) besser durchblutet als z.B. die Subkutis der Oberschenkel.
 
Vorschädigungen:
Wenn man jahrelang in die immer gleichen Stellen injiziert, dann ist die Gefahr sehr groß, dass es aufgrund der ständigen Gewebsverletzungen dort zu einem allmählichen Umbau der Gewebsstruktur kommt. Die Betroffenen erkennen das z.B. in Form von Gewebsverhärtungen oder Dellen (Dystrophien). Die Injektion in eine solche Stelle geht oft mit unberechenbarer Resorption einher.

Die Resorption, also die Aufnahme aus dem Unterhautfettgewebe ins Blut hängt bei Insulin auch stark von der verabreichten Insulinmenge ab.

Um das zu verstehen muss man ein bisschen genauer hinschauen: Insulin liegt je nach Konzentration in mehr oder weniger großer Menge nicht als Einzelmoleküle (=Monomere), sondern in Gruppen zu je sechs Molekülen (=Hexamere) vor. Sie können sich vorstellen, dass diese Gruppen ("Six-Packs") auch räumlich größer sind. Leider zu groß, um die kleinen Poren in den Blutgefäßen passieren zu können. Die sind gerade groß genug für Monomere, evtl. auch für Dimere (=Zweiergruppen von Molekülen).

Bei der Konzentration U100 (=100 I.E. pro Milliliter) beträgt der Anteil an Hexameren ca. 75%. Da die Konzentration wesentlich zu dieser Hexamer-Bildung beiträgt ist auch klar, wie man sie wieder auflösen kann: durch entsprechende Verdünnung. Die Flüssigkeit, die hier zur Verdünnung beiträgt kommt direkt aus der Umgebung, in die gespritzt wurde: das ZZW (Zellzwischenwasser, oder auch "interstitielle Flüssigkeit", wie der Mediziner dazu sagt).

Der menschliche Körper besteht zu 70% aus Wasser, das sich bei einem Menschen mit z.B. 70kg Gewicht wie folgt verteilt:

  • 3 Liter im Blut (von 6 Litern Blut gesamt; die restlichen 3 Liter Volumen bestehen aus den festen Körper (dem Hämatokrit), wie z.B. rote und weiße Blutkörperchen)
  • 12 Liter Zwischenzellwasser, das sich frei zwischen den Zellen und außerhalb der Blutgefäße bewegt
  • 35 Liter Zellwasser, das sich direkt in den Zellen befindet

Wie wir im Kapitel über die Nierenschwelle schon geklärt haben gibt es die Osmose, die durch bestimmte Stoffe ausgelöst wird. Auch Insulin als Eiweißkörper hat diese osmotische Kraft und zieht Wasser an; in diesem Fall eben das ZZW. Damit die Hexamere in Dimere zerfallen (=dissoziieren) können ist eine Verdünnung des gespritzten Insulins um den Faktor 50-100 notwendig (Zur Dissoziation in vorwiegend Monomere sogar um den Faktor 1000!). Insulin kann also erst ins Blut übergehen, wenn es durch genug Zwischenzellwasser verdünnt wurde.

Und jetzt können Sie sich sicher leichter vorstellen: je mehr Insulin man spritzt, desto mehr ZZW wird bis zur ausreichenden Verdünnung benötigt. Und desto länger dauert dieser Vorgang. Als Faustregel kann man daher auch sagen: eine Verdreifachung der Dosis bewirkt eine Verdopplung der Wirkdauer. Hört sich zwar nach viel an, bedeutet aber eigentlich nur: 6 IE wirken doppelt so lange wie 2 IE.

Wie Sie unschwer erkennen können, kommt der Qualität und Quantität der Durchblutung bei der Resorptionsgeschwindigkeit eine zentrale Rolle zu. Nun ist es aber auch so, dass die Resorption tageszeitabhängigen Schwankungen und dem Hormonhaushalt (insbesondere der Katecholamine) unterliegt.

Es gibt durchaus Diabetiker, bei denen eine zufriedenstellende Einstellung aufgrund von Störungen in diesem Bereich nicht möglich ist. Diese Sonderform ist der sogenannte "Brittle-Diabetes", der aber als solcher ziemlich selten ist. Oft finden sich bei labilen Diabetikern andere ursächliche Fehler im Diabetesmanagment.

Eine weitere seltene Störung ist die subkutane Insulinresistenz. Charakteristisch hierfür ist, dass subkutanes Insulin zu einer Stoffwechsellabilität führt, während es bei intravenöser Insulinzufuhr keine Probleme gibt. Da eine lebenslange i.v. Applikation aber (wegen der damit verbundenen Sepsisgefahr) nicht möglich ist, kommt für diese Patienten ein sogenannter Diaport in Betracht. Dabei wird ein Katheter durch die Bauchhaut bis ins Bauchfell gelegt, über den das Insulin direkt dorthin abgegeben wird. Man nennt diese Therapieform dann CIPII (Continous intraperitoneal Insulin infusion).

Die anderen Injektionstechniken (i.m. und i.v.) sollten aufgrund der besonderen Risiken (Hämatome, Abszesse, Nervenschädigungen etc.) nur von entsprechend angeleiteten Personen durchgeführt werden. Es gibt aber durchaus Sonderfälle, bei denen eine solche Applikation ziemlich sinnvoll sein kann. Dies wäre dann im Zweifelsfall mit dem behandelnden Diabetologen zu besprechen und in einer guten Schulung zu erlernen.

 

Spritz-Ess-Abstand (SEA)

Der Spritz-Ess-Abstand (SEA; oder bei Pumpenträgern auch Drück-Ess-Abstand DEA) ist ein Begriff aus der Insulintherapie. Er bezeichnet die Zeitspanne zwischen Injektion des Bolusinsulins und dem Beginn der Nahrungsaufnahme.

Was es damit auf sich hat ist vom Prinzip her schnell erklärt: Die Kohlenhydrate der Nahrung fluten ja irgendwann einmal im Blut an. Beim Gesunden folgt dann recht schnell eine Insulin-Antwort der BSD, die beim insulinpflichtigen Diabetiker ausbleibt. Der muss sich (zumindest bei der ICT und der CSII) das für die Kohlenhydrate aus der Nahrung nötige Insulin - in der Regel subkutan in das Unterhautfettgewebe - zuführen. Von dort wird es mehr oder weniger langsam resorbiert (siehe auch den Abschnitt über Resorption) und gelangt so ins Blut.

Die Kunst den BZ nicht zu stark schwanken zu lassen liegt also darin, das Anfluten der Glucose wie auch des Insulins im Blut zeitlich möglichst genau aufeinandertreffen zu lassen. Die Resorptionsgeschwindigkeit selbst kann man nur schlecht beeinflussen (wer mag sich schon einen Fön auf die Spritzstelle richten, um die Durchblutung anzuregen), also bleibt einem zur Einflussnahme der SEA/DEA.

Der bei Normalinsulin oft anfallende SEA sollte zunächst mit Einführung der schnell und kurz wirkenden Analoga entfallen - so wollte es zumindest die Werbung glauben machen. Mittlerweile setzt sich aber auch hier wieder die Erkenntnis durch, dass der SEA nicht nur eine Insulinbesonderheit darstellt sondern als therapeutische Größe im täglichen Diabetesmanagment auch bei den Analoga durchaus seine Berechtigung hat. Der Unterschied zu den Normalinsulinen besteht oft nur in den verwendeten Zeiträumen, die im Allgemeinen bei den Analoga kleiner sind. Ein Umstand, der meiner Meinung nach die Lebensqualität durchaus erhöhen kann.

Aber selbst wenn man die Resorptionsgeschwindigkeit kennt oder maßgeblich beeinflussen könnte, so kommt dennoch der Faktor Glucoseresorption hinzu. Und der kann je nach Nährstoffanteilen der Nahrung ziemlich variieren, wie ja aus dem Abschnitt über die Nahrungsaufnahme hervorgeht. Da diese beiden Einflussgrößen bei jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt sein können bleibt nur "Ausprobieren" (Trial and Error).

Für den Fall sind natürlich postprandiale (pp; nach dem Essen) Werte obligat. Erst deren genaue Interpretation bringt einen dem konkreten Einzelfallhinweis näher.

Der postprandiale BZ darf natürlich gegenüber dem präprandialen (vor dem Essen) ansteigen. Nur sollte besonders beim Ein-Stunden-Wert die 200 mg/dl Grenze nicht signifikant überschritten werden, und der 2h-Wert sollte unter 160 liegen. Man muss überdies die jeweiligen Wirkungsspektren der verwendeten Insuline berücksichtigen. Wird für Normalinsulin noch eine Gesamtwirkdauer von 5-7 Stunden angegeben, so sind es bei den Analoga nur noch 3-5. (Die Ausnahme bestätigt die Regel und ist insbesondere auch von der Gesamtdosis abhängig)
Von Wichtigkeit ist dies insofern, als dass es ungünstig ist, in ein noch wirkendes Insulinprofil eine Korrekturdosis zu spritzen.
Aus gegebenem Anlass möchte ich noch einmal den Unterschied zwischen BZ-Korrektur und Dosis-Korrektur hervorheben: hat man festgestellt, dass man sich bei der Dosisfestlegung verrechnet hat, dann darf man die Differenz selbstverständlich nachlegen. Ebenso, wenn man mehr BE als ursprünglich veranschlagt zu sich nehmen möchte. Man sollte halt nur einen postprandial gemessenen BZ nicht zu früh mit einer erneuten Insulindosis reduzieren wollen. Bei Verwendung eines Normalinsulins würde ich drei Stunden warten, bei Analoga zwei. (Ausnahme: Korrektur bei Fettsäureresistenz oder Ketoazidose. Hier kann man gemäß den mit dem Arzt vereinbarten Korrekturrichtlinien entsprechend früher "nachlegen". Sie haben mit ihrem Arzt sowas noch nicht festgelegt? Dann wäre es eine gute Idee, das mal nachzuholen )

Treten Unzulänglichkeiten bei den pp-BZ auf, ist es nicht verkehrt, erst einmal folgende Faktoren zu überprüfen:

  • Stimmt die Basaldosis?
  • Stimmt der BE-Faktor mit der jeweiligen Tageszeit?
  • Stimmt der evtl. verwendete Korrekturfaktor?
  • Können Fehler bei der Insulingabe ausgeschlossen werden?
  • Besteht eine zeitweilig erhöhte Insulinsensitivität nach körperlicher Belastung?
  • Sind die BE richtig berechnet?
  • Liegt vielleicht eine Magenentleerungsstörung (Gastroparese) vor?

Dann kann man sich dem SEA zuwenden:

Sinkt der BZ pp zunächst stark ab?
SEA zu lang gewählt; Ausgangs-BZ zu niedrig oder eh im Sinken begriffen.
Steigt der BZ pp stark an?
SEA zu kurz gewählt; Fettsäureresistenz bei länger vorliegendem BZ über 140 mg/dl oder eh im Anstieg begriffen.
Sinkt der BZ zunächst ab und steigt dann zu hoch an?
SEA zu lang gewählt und BE zu niedrig eingeschätzt.
Steigt der BZ zunächst an und sinkt dann stark ab?
SEA zu kurz gewählt und BE zu hoch eingeschätzt.

Nierenschwelle

Um das Phänomen der Nierenschwelle zu kennen reicht es aus zu wissen, dass sie eine Art »Überdruckventil« ist, das Glucose ab BZ-Werten von ca. 160-180 mg/dl mit dem Urin aus dem Körper ausschwemmt.

Um näher verstehen zu können warum das so ist müssen wir uns jedoch ein wenig mit der Funktionsweise der Nieren und daher mit den Begriffen Osmose und Diffusion befassen.
Beiden gemeinsam ist, dass sie einen Transport zwischen zwei Medien darstellen, die durch eine semipermeable (=halbdurchlässige) Membran getrennt sind.
Das geht solange vonstatten, bis ein »Konzentrationsausgleich« stattgefunden hat, also die Konzentration dieses Stoffes auf beiden Seiten der Membran gleich ist.

Schema der Osmose

Osmose nennt man den Vorgang, wenn dabei das Lösungsmittel selbst von einer Seite der Membran zur anderen wandert, weil die Poren der Membran für den gelösten Stoff zu klein sind. Er kann sie nicht passieren, also kann nur ein Konzentrationsausgleich stattfinden, wenn das Lösungsmittel selbst vom Ort der niederen zum Ort der höheren Konzentration wandert. Die Kraft, mit der dieser Konzentrationsausgleich stattfindet erzeugt einen Druck, der auch als der »osmotische Druck« bekannt ist

 

Schema der Diffusion

Diffusion hingegen nennt man es, wenn die gelösten Stoffe selber vom Ort der höheren zum Ort der niederen Konzentration wandern. Dies ist immer dann möglich, wenn die Poren der Membran größer sind als die gelösten Stoffe selber. Ursache für diesen Transport ist, dass die in einer Lösung befindlichen Stoffe gegeneinanderstoßen und quasi versuchen "sich aus dem Weg zu gehen", indem sie sich zu einem Ort begeben, wo weniger von ihrer Art vorhanden sind.

 

Nachdem diese beiden grundlegenden Begriffe geklärt sind können wir uns der eigentlichen Nierenfunktion zuwenden.

Die Niere hat die Aufgabe: (Beispiele in Klammern)

  • Ausscheidung von Stoffwechselprodukten (Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin)
  • Aufrechterhaltung der Elektrolytkonzentration im Blut (Natrium, Kalium)
  • Aufrechterhaltung des Wassergehaltes
  • Aufrechterhaltung des osmotischen Drucks
  • Aufrechterhaltung des Säure-Basen-Gleichgewichts
  • Ausscheidung von Fremdsubstanzen und deren Stoffwechselendprodukten

Um diesen Aufgaben nachkommen zu können wird in den Nieren zunächst einmal der sogenannte Primärharn gebildet. Bei Männern sind das etwa 125ml/min, bei Frauen etwa 110ml/min.
Der Körper bildet pro Tag also etwa 160 bis 180 Liter Primärharn pro Tag. Es ist klar, dass das nicht alles ausgeschieden werden kann; das meiste wird rückresorbiert. Übrig bleibt der Sekundärharn, und der beträgt etwa 1,5 bis 2 Liter pro Tag. (Zusätzlich verliert der Körper auch Flüssigkeit mit dem Stuhlgang, dem Schweiß und der Atemluft, aber das ist schon wieder eine andere Geschichte)
In den Primärharn werden auch Stoffe abgegeben, die der Körper noch braucht; die müssen also auch rückresorbiert werden.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt:

Wir hatten ja eingangs festgestellt, dass Osmose und Diffusion Transportvorgänge sind. Und Sie wissen auch, dass ein Transporter nicht unendlich belastbar ist. Dieser hier ist das auch nicht, es gibt ein sogenanntes »Transportmaximum«, das bei Glucose eine vollständige Rückresorption nur bis zu einem BZ von 160 bis 180 mg/dl ermöglicht.

Im Primärharn wird die Glucose aus dem Blut landen, egal wie hoch der BZ ist.

Aber aus dem Primärharn kann höchstens eine bestimmte Menge (siehe oben) zurück transportiert werden. Der Rest bleibt im Primärharn, der dann später zum Sekundärharn wird.

Und hier greift dann der osmotische Druck der Glucose: Der Rest, der nicht wieder in das Blut abgegeben werden kann, bindet Wasser im Primärharn, wodurch sich die Menge des Sekundärharns drastisch erhöht. Das Endergebnis ist eine Exsikkose (=Austrocknung des Körpers).

Aus den Nieren wandert der Sekundärharn in die Blase, die sich bei diesen Mengen natürlich schneller füllt und einen so häufiger zur Toilette führt. Der Körper verliert also viel Wasser und will das wieder ausgleichen, indem er das Durstgefühl steigert.

Die Folge ist, daß der Diabetiker, der wegen seines hohen BZs viel Wasser verliert (=Polyurie), auch viel trinkt (=Polydipsie).

Also muss man in diesem Fall nicht häufig zur Toilette, weil man soviel trinkt, sondern man muss soviel trinken, weil man so häufig zur Toilette geht!