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Bitte befolgen Sie Tipps/Empfehlungen/Anregungen, die Sie hier oder anderswo im Internet gefunden haben, niemals, ohne das vorher mit Ihrem behandelnden Arzt, bzw. mit Ihrem Diabetesteam besprochen zu haben!

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Gustl's Grundlagen Tagebuch

Grundlagen
Hier habe ich gelernt, dass "Diabetes" übersetzt in etwa »Durchfluss« bedeutet. Und dass man deshalb so viel trinkt, weil man so viel pinkeln muss. Außerdem scheint es mehrere Arten von Diabetikern (so heißen Zuckerkranke) zu geben.
 
Nicht-Diabetiker 1
Am Zuckerstoffwechsel ist die Leber beteiligt. Und es gibt verschiedene Arten von Zucker. In das Blut gelangen können aber nur die kleinsten Bausteine, die Einfachzucker.
Die Leber kann Traubenzucker speichern, dann nennt man diesen Speicherzucker Glykogen.
Sie kann aber auch Glucose (so nennt man den Traubenzucker) selbst herstellen. Aber nur so ein klitzekleines bisschen...
 
Nicht-Diabetiker 2
Damit die Glucose in die Zellen kommen kann benötigen sie Insulin. Und damit das Insulin wirken kann braucht es Rezeptoren, mit denen es in die Zelle hineinkommt. Dann holt sich die Zelle ein Stück Glucose, wenn sie sehr hungrig ist nach Sport auch schon mal mehrere auf einmal. Und die Rezeptoren haben nach ihrer Aufgabe erstmal eine Pause, damit die anderen Zellen auch was abkriegen. Und in dieser Pause kann kein Insulin andocken, also kann auch keine Glucose in die Zelle reinkommen. Die Bauchspeicheldrüse merkt, wieviel Glucose da ist und schickt dementsprechend ihre Arbeiter los.
Ist viel Glucose da, schickt sie aus den Beta-Zellen das Insulin, ist zu wenig da aus den Alpha-Zellen das Glukagon.
Und wenn irgendwas davon nicht klappt, dann wird man Diabetiker.
 
Nicht-Diabetiker 3
Fettzellen können Glucose, die nicht in den anderen Zellen gebraucht oder in den Muskelzellen oder der Leber gespeichert wird, zu Fett umwandeln und so speichern. Gleichzeitig bewirkt Insulin, dass Fett langsamer abgebaut wird.
Wird es aber doch abgebaut entstehen Ketonkörper, die den Körper vergiften wenn zuviel davon entstehen. Diese Ketonkörper können auch die Insulinrezeptoren blockieren, so dass Insulin weniger gut wirken kann.
 
Diabetes Typ 1
Der Diabetes-Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, also eine, wo sich das körpereigene Abwehrsystem gegen körpereigene Zellen richtet.
Die Symptome sind:
  • Große Urinmengen
  • Starker Durst
  • Müdigkeit, Schlappheit
  • Gewichtsverlust
Der Typ 1 Diabetiker braucht schnell Insulin, sonst kann er wegen einer Ketonvergiftung (die beim Abbau von Körperfett entsteht) ins Koma fallen. Er muss für den Rest seines Lebens Insulin nehmen, kann aber am Anfang der Behandlung eine Phase erleben, in der er nur sehr wenig Insulin braucht. Er muss darauf achten was er isst, denn er muss dann selber entscheiden, wieviel Insulin er dafür braucht.
 
Diabetes Typ 2
Beim Typ 2 liegt es in den Genen, dass die Zellen zu wenig Insulinrezeptoren haben. Dadurch kann das Insulin die Glucose nicht schnell genug in die Zellen bringen und die Bauchspeicheldrüse schüttet immer mehr Insulin aus.
So bekommen aber auch die Fettzellen immer mehr, werden immer größer und bilden noch mehr Insulinrezeptoren. Der Mensch wird also immer dicker und braucht immer mehr Insulin. Irgendwann sind die Beta-Zellen dann erschöpft und der Mensch hat zu wenig Insulin und einen Diabetes Typ 2 (früher hieß der mal Altersdiabetes, aber heute bekommen den auch Kinder die sich falsch ernähren und zu wenig bewegen.
Am Anfang kann man noch versuchen das mit Ernährungsumstellung, Sport und Abnehmen in den Griff zu kriegen. Wenn das nicht reicht müssen Tabletten her (aber keine Insulin-Tabletten, denn die gibt es nicht, weil sie als Eiweiß vom Körper verdaut würden.
Und wenn das auch nicht reicht, dann muss man Insulin spritzen.
 
Diabetes Typ 2 - Resistenz
Insulinresistenz heißt, dass es zu wenig Insulinrezeptoren auf den Zellen gibt, und das Insulin kann nicht genug Glucose in die Zellen bringen. Verursacht wird das neben dem genetischen Defekt auch von den Ketonkörpern und dem Insulin selbst.
Das nennt man dann eine Rezeptor-Down-Regulation.
Das Gegenteil, nämlich eine Rezeptor-Up-Regulation kann man erreichen, indem man seinen Blutzuckerspiegel möglichst gut einstellt und versucht, hin und wieder etwas Glucose einzusparen, damit weniger Insulin gebraucht wird.
Wegen dieser Resistenz haben Typ 2 Diabetiker auch so hohe Insulinspiegel im Blut, und der macht es ihnen schwer abzunehmen. Sie müssen also ständig gegen diese Resistenz ankämpfen.
 
Diabetes Typ 3 und 4
Neben dem Typ 1 und 2 gibt es auch noch die Typen 3 und 4. Typ 3 wird in 8 Unterstufen aufgeteilt, denn er kann aus vielen verschiedenen Erkrankungen oder Defekten an den Erbanlagen entstehen.
Typ 4 ist der sogenannte Schwangerschaftsdiabetes, der gefährlich für das ungeborene Baby und die Mutter werden kann. Meistens verschwindet er nach der Schwangerschaft, kann aber auch später zu einem Typ 2 werden.
Anders als die Typeneinteilung nach Entstehungsart ist die neue Einteilung der WHO, bei der der Diabetes nach seiner Behandlungsform eingeteilt wird.
 
Entstehung und Wirkungsweise von Insulin
Insulin wird von den Beta-Zellen gebildet. Diese liegen auf den Inselzellen und die wiederum auf der Bauchspeicheldrüse. Das ist ein kleines Verdauungsorgan so ziemlich in Körpermitte, das neben Insulin auch noch einen Verdauungssaft produziert.
Insulin senkt nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern erfüllt auch noch ein paar Steuerungsaufgaben im Körper.
Damit mit dem Zuckerstoffwechsel alles normal verläuft, muss die Waage zwischen Insulin und Bewegung einerseits, und Glucose, Gegenspieler und Rezeptorenmangel andererseits im Gleichgewicht sein.
 
Gegenspieler des Insulins: das Glukagon
Glukagon wird von den Alpha-Zellen gebildet. Diese liegen auch auf den Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Glukagon ist ein Insulin-Gegenspieler, weil es die Zellen dazu bringt ihre Glykogenvorräte abzubauen und als Glucose ins Blut abzugeben. Außerdem regt es die Leber zur Gluconeogenese an, also zur Glucoseneubildung. Bewusstlosen Diabetikern kann man es auch im Notfall mit einer Spritze geben.
 
Gegenspieler des Insulins: das Adrenalin
Adrenalin ist ein weiterer wichtiger Gegenspieler des Insulins. Es kommt im normalen Körper ständig vor, denn es ist u.a. für notwendige Blutdruckerhöhungen und Herzfrequenzsteigerungen verantwortlich. Es erhöht aber auch den Blutzuckerspiegel, weil es die Zellen dazu bringt ihre Glykogenspeicher zu entleeren und die Leber unter dem Einfluss von Adrenalin neue Glucose bildet.
Wenn man also im Stress ist (körperlich oder seelisch) steigt der Blutzucker!
 
Gegenspieler des Insulins: das Cortison
Cortison ist ein körpereigenes Hormon aus der Nebenniere. Es ist u.a. für den Eiweiß-, Fett- und Mineralstoffwechsel verantwortlich. Es erhöht aber auch den Blutzuckerspiegel, indem die Leber unter dem Einfluss von Cortison neue Glucose bildet.
Normalerweise wird das durch die Diabetestherapie mit berücksichtigt, aber wenn man das wegen einer Zusatzerkrankung als Medikament nehmen muss, kann es den Zuckerstoffwechsel durcheinander bringen.
Bei Personen, die eine Veranlagung zum Diabetes Typ 2 haben kann es durch cortisonhaltige Medikamente zum Ausbruch des Diabetes kommen.
 
HbA1c
Das HbA1c ist so etwas wie ein Langzeit-Blutzuckerspiegel. Es gibt Auskunft darüber, wie hoch der durchschnittliche Blutzucker in den letzten 6-8 Wochen war.
Während ein hohes HbA1c deutlich aussagt, dass etwas nicht so gut gelaufen ist, sagt eine normales HbA1c noch lange nicht, dass alles super war. Denn wenn der Blutzuckerspiegel schnell genug wieder absinkt, dann schlägt sich das auch nicht im HbA1c nieder. Genaue Aussagen kann man daher erst machen wenn man sich zusätzlich die täglichen Aufzeichnungen der Blutzuckermessungen anschaut.
 
Nierenschwelle
Die Nierenschwelle ist ein Notventil für den Körper. Ist der Blutzucker zu hoch, dann wird das zuviel an Glucose mit dem Urin ausgeschwemmt. Der Körper verliert dabei aber auch viel Wasser.
 
Resorption
Resorption nennt man die Aufnahme eines Stoffes in die Blutbahn. Das gilt für die Glucose ebenso wie für das Insulin, obwohl man das eine vorher isst und das anderen vorher spritzt. Die Resorption kann verschiedenen Einflüssen unterliegen, die auf dieser Seite aufgelistet sind. Wenn man die kennt und berücksichtigt, dann ist es einfacher einen glatten Verlauf des Blutzucker-Spiegels zu erreichen.
 
Spritz-Ess-Abstand
Der Spritz-Ess-Abstand soll dafür sorgen, daß Insulin und Kohlenhydrate möglichst gleichzeitig ins Blut übergehen. Je nach vorhandenen Einflussfaktoren können die Zeitspannen anders ausfallen.
Das sollte man gelegentlich mit Blutzuckertests nach dem Essen überprüfen, wobei vor allem der Wert eine Stunde nach dem Essen Aussagen über die Korrektheit des Spritz-Ess-Abstandes zulässt.
 
 

Spritz-Ess-Abstand

Freddy erklärt den Spritz-Ess-Abstand Die Vorkenntnisse zum Verständnis des Spritz-Ess-Abstandes hast du ja jetzt auf der vorherigen Seite über die Resorption bekommen. Jetzt wollen wir uns das mal in der Praxis ansehen.

Stell dir mal wieder vor, wir sind nicht im Körper sondern in einer Fabrik. Auf den Transportbändern, die hier "Blutgefäße" genannt werden, sind ständig Pakete mit Zucker unterwegs. Die müssen nämlich zu den Zellen transportiert werden, sonst kann die Fabrik nicht funktionieren.

Ja ich weiß noch: die Arbeiter vom Insulintrupp räumen die vom Transportband in die Zellen...

Genau. Und wo ständig etwas weggeräumt wird, da muss auch Nachschub her. Den holen wir uns mit dem Essen. Im Körper eines Menschen, der noch selber Insulin produzieren kann überwacht die Bauchspeicheldrüse ständig den Füllungsstand des Transportbandes. Sind dort zu viele Pakete, so schickt sie neue Arbeiter los; sind dort zu wenige, dann hält sie die neuen Arbeiter zunächst zurück.

Ja, und wer kein eigenes Insulin mehr produziert - oder zu wenig davon - der spritzt sich diese Arbeiter selbst und alles funktioniert genauso.

Bist du dir da so sicher? Immerhin hast du gerade gehört, dass die Aufnahme ins Blut sowohl bei den KH (Kohlehydraten) als auch beim Insulin gewissen Einflüssen unterliegt.

Und du willst mir jetzt sagen, dass ich diese Einflüsse berücksichtigen muss?

Natürlich. Die wichtigste Frage ist nämlich für einen Großteil der Diabetiker, also diejenigen, die eine intensivierte Therapie durchführen, wann soll man das Mahlzeiten-Insulin spritzen?

Na ich würde sagen, wenn sie eine Mahlzeit mit Kohlenhydraten essen, aber das klingt zu einfach...

Ist es auch. Schauen wir uns dazu mal ein Bild an:

Verlaufskurve ohne Spritz-Ess-Abstand Hier sieht man, wie sich die verschiedenen Dinge verhalten: bei einer nicht sehr fettigen Mahlzeit sind oft die Kohlenhydrate (KH) schneller im Blut als das Insulin. Die senkrechten grünen Striche stellen dabei die Zeit dar. Man kann auch sehen, dass ein Analogon (Humalog® oder NovoRapid®) schneller im Blut ist als Normal- oder auch Alt-Insulin wie Actrapid®.

Man sieht aber auch, dass das bei sehr fetthaltigen Speisen anders herum sein kann: Da kann das Insulin tatsächlich schneller im Blut sein als die KH.

 
Erklärung Analog ist lateinisch und bedeutet soviel wie "entsprechend: ähnlich". Die Medikamente "Humalog®" und "NovoRapid®" sind chemisch gesehen ja kein echtes Insulin, aber sie sind ihm eben ähnlich. Daher nennt man sie auch "Insulin-Analoga" (Analoga ist die Mehrzahl von Analogon)

Man sieht auf dem Schaubild, dass beides - KH und Insulin - zur selben Zeit eingenommen wird, aber zu unterschiedlichen Zeiten im Blut ankommt. Was würde passieren?

Ich würde sagen beim normalen Essen beginnt der Blutzucker zu steigen. Und jetzt kann ich mir auch denken, dass der u.U. zu hoch absteigen könnte.

Völlig richtig! Und wie sieht das bei der fettigen Mahlzeit aus?

Na eben total umgekehrt. Wenn erst das Insulin im Blut ankommt kann man eine Unterzuckerung bekommen.

Stimmt absolut. Ist nicht allzu viel Fett in der Mahlzeit kann es schon dazu kommen, dass dann beides zur selben Zeit im Blut ankommt.

Dem Jörg, also dem Betreiber dieser Seiten, ist das schon mal mit Reibekuchen passiert. Die werden ja im Öl schwimmend gebacken, enthalten also sehr viel Fett. Das hat er vergessen zu berücksichtigen und hat sich die normale Dosis Insulin kurz vor dem Essen gespritzt. Das Ergebnis war eine mordsmäßige Unterzuckerung. Aber solche drastischen Fehler passieren eben jedem einmal und er hat daraus gelernt.
Jetzt isst er zuerst die Reibekuchen, wartet dann noch eine Viertelstunde und spritzt dann nur die Hälfte der berechneten Insulindosis, dann bleibt der Blutzucker schön stabil.

Obwohl er nur die Hälfte spritzt?

Ja. Bei sehr fettigen Speisen kann das schon ausreichen, das muss man vorsichtig für sich selber ausprobieren. Dazu ist es gut, wenn man ein Diabetes-Tagebuch führt, in das man genau einträgt wie man vorgegangen ist. Daraus kann man beim nächsten Versuch ablesen, was man besser machen könnte.

Wir sehen also, dass bei sehr fetthaltigen Speisen auch ein Ess-Spritz-Abstand notwendig sein kann.

Und jetzt mal ein Bild davon, wie es eigentlich viel besser funktioniert:

Verlaufskurve mit Spritz-Ess-Abstand Hier sieht man, dass man einige Dinge zeitlich verschieben muss, damit KH und Insulin zur selben Zeit im Blut ankommen. Bezogen auf unsere Fabrik heißt das in etwa, dass man seine Arbeiter ja nicht dann schon zur Arbeit schickt, wenn die Lieferung gerade erst das Tor passiert hat, sondern erst dann, wenn die neuen Pakete auch auf dem Transportband eintreffen.

Und dort hat die Bauchspeicheldrüse uns gegenüber einen Riesen-Vorteil: sie schickt ihre Arbeiter direkt ans Transportband, während wir sie nur in einen Vorraum schicken können, nämlich dem Unterhaut-Fettgewebe. Von dort müssen sie sich erst ihren Weg zum Transportband suchen und dazu erst ihren Nachbarn loslassen, sonst kommen sie nämlich nicht ins Blut hinein.

Ach ja, die Sache mit dem Sechser-Pack und Zweierpack und so...

Eben!
Wenn wir sie ins Unterhautfettgewebe spritzen, dann ist das, als schicken wir sie in einen Raum mit Wänden aus Gummi. Irgendwo läuft da auch ein ganz feines Blutgefäß entlang, eine "Kapillare", und die ist sowas wie die Tür, die aus dem Raum in die Gänge mit dem Transportband führen.

Ja so halbwegs kann ich mir das vorstellen. Aber was hat es mit den Gummiwänden auf sich?

Damit will ich dir ein ganz wichtiges Prinzip klarmachen: Nimm dir mal einen Luftballon und blas ihn vorsichtig auf. Du wirst feststellen, dass die Öffnung nicht im selben Maße mitwächst wie der übrigen Raum. Und je mehr du ihn aufbläst, desto länger dauert es anschließend, bis die Luft vollständig entwichen ist. Und so ist das auch beim Insulinspritzen. Was beim Langzeit-Insulin ja noch gewollt ist - das soll ja auch lange wirken - ist beim Mahlzeiten-Insulin u.U. nicht so gut, denn das soll in der Regel ja schnell wirken.

Irgendwelche Wissenschaftler haben mal herausgefunden, dass die optimale Dosis an Mahlzeiten-Insulin ca.7-8 Einheiten beträgt. Wird die Dosis größer, dann wirkt sie länger. Wird sie zu groß, dann kann sogar ein Teil des Insulins durch Enzyme des Körpers unwirksam werden.

Und wenn wir jetzt gesehen haben, dass normales Essen und fettiges Essen unterschiedliche Zeiten haben, bis sie im Blut wirksam werden und den Blutzucker beeinflussen, dann kannst du dir auch sicher denken dass...

...es dazwischen jede Menge feine Abstufungen gibt, je nachdem wie fettig eine Mahlzeit ist.

Das weißt du schon?

Ist doch ein altes Sprichwort: zwischen Schwarz und Weiß gibt es jede Menge Graustufen.

Ja genau. Und so ist das auch hier. Und jeder Körper reagiert immer ein bisschen anders, da muss man das also erstmal austesten.

Und wie? Kann man wirklich messen, was warum geklappt oder nicht geklappt hat?

Das geht. Dazu kann man mal Blutzucker-Tests nach dem Essen machen. 1-2 Stunden danach und 2-3 Stunden danach. Der 2-3-Stunden-Wert sagt etwas darüber aus, ob die Gesamtdosis ausgereicht hat. Bei sehr fettigen Speisen kann das auch ein 3-4-Stunden-Wert sein.
Und der 1-2-Stunden-Wert lässt uns einen Blick auf den Spritz-Ess-Abstand werfen.
Ist der Wert zu niedrig, weil das Insulin noch vor den KH wirken konnte, dann sollte man diesen Abstand verkürzen.
Ist er zu hoch, weil noch vor dem Insulin die KH den Blutzucker in die Höhe trieben, dann kann man ihn vorsichtig verlängern.

Mann, das war aber jede Menge Stoff. Sollen wir mal eine kleine Pause einlegen?

Pause? Mein lieber Gustl: wir sind fertig mit den Grundlagen. Du kannst jetzt mal zu den Wissenstests gehen und nachsehen, wieviel der Fragen du richtig beantworten kannst.

Echt wahr? Mann, da ist die Zeit aber wie im Flug vergangen. Eigentlich schade, ich hatte mich schon so an dich als "Lehrer" gewöhnt.

Ach sei nicht traurig. Der nächste wird dir sicher auch gefallen.
Und ich sag jetzt mal Servus, Gruezi, Ciao, Arrivederci, Bye-bye und Auf Wiedersehen...

Freddy verabschiedet sich

 

Nierenschwelle

Gustl erfährt etwas über die Nierenschwelle Hatten wir das mit den Nieren nicht schon ganz am Anfang?

Ja schon, aber da hab ich das nur ganz kurz erwähnt. Und jetzt möchte ich dir klarmachen, was es genau damit auf sich hat.

Also wenn ich dich richtig verstanden habe, dann spülen die Nieren auch Zucker raus...

Ganz genau. Aber erst, wenn der Blutzuckerspiegel eine bestimmte Höhe erreicht hat. Er steigt und steigt, und wenn er dann die Nierenschwelle überschritten hat landet er im Urin.

Das würde ja heißen, dass ein Gesunder überhaupt keinen Zucker im Urin hat.

Hat er auch nicht. Gut mitgedacht!

Na ist doch prima. Dann muss der Diabetiker nur aufpassen, dass er keinen Zucker im Urin hat und es ist bei ihm wie bei einem Gesunden!

Leider ist das nicht ganz so einfach. Sieh mal: der Blutzucker landet ja erst ab einer gewissen Höhe im Urin. Aber diese Höhe ist langfristig schon zuviel. Besteht die zu lange, dann können einige wichtige Organe durch den für sie zu hohen Blutzucker schon geschädigt werden.

Und wie hoch ist diese Höhe? Wie misst man die eigentlich?

Naja, es gibt Geräte, damit kann man in einem ganz kleinen Blutstropfen feststellen, wie hoch der Blutzuckerspiegel ist. Normal ist er zwischen 70 und 120 mg/dl (3,9 - 6,7 mmol/l). Die Nierenschwelle beginnt aber erst zwischen 160-180 mg/dl (8,9 - 10 mmol/l). Das ist bei jedem Menschen geringfügig unterschiedlich. Beim einen beginnt sie schon bei 140 mg/dl (7,8 mmol/l), beim anderen erst bei 200 mg/dl (11,1 mmol/l)

Kurze Erklärung: mg/dl heißt: Milligramm pro Deziliter. Ein Milligramm ist ein tausendstel Gramm und ein Deziliter ist ein zehntel Liter. 100 mg/dl heißt also, dass in jedem zehntel Liter Blut 100 Milligramm Glucose enthalten ist. Umgerechnet auf den Liter sind das ein Gramm pro Liter. Andere messen es in mmol/l, also Millimol pro Liter. Mol ist eine internationale Maßeinheit, die eine Stoffmenge bezeichnet. In Deutschland nehmen wir die Einheit Gramm, in Amerika ist es die Unze, in anderen Ländern noch andere Maßeinheiten. Also haben sich ein paar Wissenschaftler mal darauf geeinigt es in Mol zu bezeichnen, damit der Deutsche und der Amerikaner sich sofort etwas darunter vorstellen können. Aber wie das bei solchen Dingen immer ist: nicht jeder kann sich damit anfreunden. Und so kommt es, dass in einigen Gebieten in mg/dl gemessen wird, während andere es in mmol/l messen.
Der Umrechnungsfaktor ist 18.
mmol/l mal 18 ergibt die Menge in mg/dl
Beispiel: 10 mmol/l x 18 = 180 mg/dl

mg/dl durch 18 ergibt die Menge in mmol/l
Beispiel: 180 mg/dl : 18 = 10 mmol/l


Kann man den Urin denn auch mit einem solchen Messgerät auf Zucker untersuchen?

Mit einem Messgerät nicht, aber es gibt dafür Teststreifen. Dia kann man ohne Rezept in jeder Apotheke bekommen. Lässt man einen Tropfen Urin auf das Testfeld kommen und es verfärbt sich danach, dann hat man Zucker im Urin.

Und dann ist man Diabetiker...
Aber wie kommt es eigentlich, dass der Zucker erst bei dieser Höhe im Urin auftaucht?

Hui, das ist ein komplexes Thema. Du musst wissen, dass die Nieren ständig durchblutet werden. Blut fließt also durch sie hindurch und dabei wird Wasser abgepresst, in dem sich auch verschiedene Stoffe befinden. Manche sind Abfallstoffe aus dem Stoffwechsel des Körpers und sollen ihn verlassen, andere werden noch gebraucht. Dieses abgepresste Wasser nennt man auch den Primärharn und das sind sage und schreibe etwa 200 Liter am Tag, also eine ganze Badewanne voll. Natürlich kann der Körper nicht soviel Wasser entbehren, also holt er sich das meiste davon wieder zurück. Und dabei auch die Stoffe, die kein Abfall sind und die er braucht. Und darunter ist auch der Zucker, also die Glucose. Allerdings gibt es eine bestimmte Grenze in der Menge Glucose, die er maximal zurückholen kann.

Ach ich versteh das jetzt: wenn diese Grenze überschritten ist, dann bleibt der Rest im Harn zurück.

Richtig. Es wird also zweimal gefiltert. "Primär" heißt ja soviel wie "erstens; anfänglich" und "sekundär" soviel wie "zweitens; nachfolgend". Es gibt also auch einen Sekundärharn. Und das ist der Urin den wir dann täglich ausscheiden.

Du siehst also, dass diese Nierenschwelle sowas wie ein Notventil ist. Ist zuviel Zucker im Körper, dann wird ein Teil davon schon mit dem Urin ausgeschieden.

Ja, aber das ist nicht gut, weil für den Körper dann der Blutzucker-Spiegel schon zu hoch ist und langfristig Schäden entstehen können. Welche sind denn das?

Das sind vor allem Schäden an den kleinen Blutgefäßen und den Nerven. Was ich zu der Nierenschwelle noch anmerken möchte ist, dass damit auch jede Menge Flüssigkeit verloren geht.

Wieso? Hast du nicht gerade gesagt, dass die Nieren die wieder zurückholen?

Ja schon. Aber ich hab auch gesagt, dass es für die Glucose-Rücknahme eine Obergrenze gibt. Ist die überschritten, dann bleibt die Glucose im Urin.

Und Glucose hat noch eine Anziehungskraft auf Wasser, die die Physiker Osmose nennen. Es bleibt dann also nicht nur das Wasser mit den Abfallstoffen im Urin, sondern zusätzlich auch das Wasser, was die Glucose an sich bindet.

Ach stimmt ja: und das ist dann der Grund, warum man bei zu hohem Blutzucker solch einen Durst hat und viel trinken muss.

Na super, da hast du ja doch aufgepasst. Dann können wir uns jetzt auch noch eine kleine Pause gönnen, bevor wir uns den vorerst letzten Kapiteln der Grundlagen widmen:
Der Resorption und dem Spritz-Ess-Abstand...

 

Resorption

Gustl und Freddy reden über die Resorption Was ist denn mit diesem Resodingsbums gemeint?

Mit "Resorption"?
Damit meine ich die Aufnahme eines Stoffes ins Blut. Der Zucker aus der Nahrung muss ja ins Blut gelangen, damit alle Körperzellen vom Gehirn bis zu den Zehenspitzen mit Energie versorgt werden können. Und das Insulin muss ins Blut, damit die Energie auch in die Zellen hineinkommen kann.

Zucker kann nur in seiner einfachsten Bauweise, nämlich als Einzelbaustein Glucose, also Traubenzucker problemlos ins Blut gelangen. Als Einzelbaustein Fructose, also Fruchtzucker, ist es schon etwas schwieriger, geht aber auch.

Glucose kann schon von den Schleimhäuten im Mund aufgenommen werden, aber nur ein bisschen. Am besten geht das immer noch über die Schleimhäute des Dünndarms. Dort wird nämlich auch der Zucker aufgespalten, der aus mehreren Einzelbausteinen zusammengesetzt ist. Du erinnerst dich sich noch an die Bilder vom Zucker aus dem ersten Kapitel

Wie schnell das geht hängt von einigen Dingen ab:

  • Wie komplex der Zucker gebaut ist, also wie sehr er gespalten werden muss
     
  • Wieviel Fett in der Nahrung ist, denn Fett verlangsamt die Magen- und Darmbewegungen, mit denen der Speisebrei transportiert wird
     
  • Die Gesamtmenge: werden die Mahlzeiten umfangreicher, dann hat der Magen mit der endgültigen Zerkleinerung mehr zu tun und transportiert langsamer.
     
  • Eventuelle Zusatzerkrankungen, bei denen der Transport des Speisebreis ohnehin verlangsamt ist

Und das muss man als Diabetiker alles wissen?

Das hört sich nur nach viel an, ist es aber gar nicht. Wenn man einige Zeit auf diese Dinge geachtet hat, dann geht einem das in Fleisch und Blut über.
Wichtig ist es vor allem für solche Diabetiker, die einen schön gleichmäßigen Blutzuckerspiegel mit zusätzlichen Insulingaben erreichen wollen.

Was hilft es denn, wenn man solche Sachen weiß? Muss man etwa bei der Insulingabe diese Dinge berücksichtigen?

Ja, ganz genau. Dazu musst du wissen, dass auch Insulin nur als kleinster Baustein ins Blut übergehen kann.
Normal-Insulin (manche nennen es auch Alt-Insulin) liegt nämlich als Sechser-Pack vor. Sicher kennst du das von Flaschen, die auch als Sechser-Pack verkauft werden. Wenn du davon trinken willst, dann musst du zuerst eine Flasche aus diesem Pack lösen.

Naja, ich könnte auch so trinken, aber du hast recht: das wäre irgendwie komisch...

Und auch bei Insulin muss dieser Sechser-Pack erst zerfallen, und dann können die einzelnen Insulinbausteine ins Blut übergehen.

Etwas anderes ist das bei den sehr schnell wirkenden Insulinen wie z.B. Humalog® oder auch NovoRapid®. Bei denen ist das Sechser-Pack nicht so fest zusammengebunden, so können sie viel schneller zerfallen. Und damit kommen die auch schneller ins Blut und sind schneller komplett aufgenommen.

Insulin-Spaltung


Also wenn ich das Bild richtig deute, dann zerfällt ein Sechser-Pack erst in drei Zweier-Packs, und die dann in Einzelbausteine. Und wieso steht da was von "Hexamer, Dimer und Monomer"?

Ach, das musst du dir nicht unbedingt merken. So nennen das eben die Wissenschaftler und Ärzte. Ich wollte nur, dass du diese Begriffe zumindest einmal im Zusammenhang gehört hast.

Okay, jetzt ist das Insulin in Einzelbausteine zerfallen. Aber trotzdem kann es nur ins Blut gehen, wenn auch Blutgefäße da sind. Man sagt dazu auch, die Stelle muss "gut durchblutet" sein.

Am schnellsten wirkt es natürlich, wenn man es direkt in eine Vene spritzt. Aber da wirkt es nur kurz, denn es gibt ein Enzym, das Insulin abbauen kann. Und außerdem muss es ja erst noch in Einzelbausteine zerfallen. Diese Methode nutzt man meistens nur im Krankenhaus, denn es ist ja gar nicht so einfach eine Vene zu treffen. Das muss man erst lernen.

Am zweitschnellsten geht es, wenn man es direkt in einen Muskel spritzt. Die Muskeln müssen ja mehr Arbeit leisten als die Haut, und daher brauchen sie auch mehr Nährstoffe und sind besser durchblutet.
Aber auch das macht man im Normalfall nicht mit Insulin.

Wohin man es spritzt ist das Unterhaut-Fettgewebe.
Und da gibt es Stellen, die besser durchblutet sind als andere. Am besten durchblutet ist der Bereich um den Bauchnabel, die Oberschenkel und die Oberarme. Dort findet man auch Stellen, die mit mehr Fettgewebe als z.B. am Unterarm ausgestattet sind.

Etwas aufpassen muss man aber, dass man nicht in eine verhärtete Stelle spritzt. Die kann entstehen, wenn man immer wieder in seine "Lieblingsstelle" spritzt und nicht regelmäßig die Spritzstellen wechselt.
Diese Verhärtungen sind in der Regel sehr schlecht durchblutet, und da kann es vorkommen, dass Insulin fast wirkungslos "verpufft".

Und schließlich kommt es auch noch auf den Einfluss von Umständen an, die auf die Durchblutung wirken:

  • Bei Kälte wird die Haut weniger durchblutet, bei Wärme wird sie stärker durchblutet
     
  • Manche Hormone ziehen die Blutgefäße zusammen, wodurch die Durchblutung der Haut abnimmt. Z.B. morgens, wenn der Körper den Kreislauf stabilisieren muss.

Und das ist alles wichtig zu wissen?

Sagen wir mal so: je mehr man darüber weiß und beachtet, desto besser wird auch der Therapieerfolg sein. Fassen wir mal kurz zusammen:

Für die Aufnahme ins Blut, also die Resorption der Kohlenhydrate (KH) sind die Einflussfaktoren:

  • Komplexität der Kohlenhydrate (Weißbrot-KH werden schneller aufgenommen als Vollkornbrot-KH)
  • Fettgehalt der Mahlzeit
  • Menge der Mahlzeit
  • Evtl. Magen-Darm-Transportstörungen

Die Einflussfaktoren auf die Aufnahme ins Blut des Insulins sind:

  • Insulin-Art (Sechser-Pack oder Einzelbausteine; aber auch Langzeit- oder Kurzzeit-Insulin)
  • Spritzstelle (Bauch, Oberschenkel, Oberarm)
  • Evtl. Hautveränderungen durch häufiges Spritzen in dieselbe Stelle
  • Umgebungstemperatur (schneller bei Wärme, langsamer bei Kälte)
  • Hormonwirkungen (Aufsteh-Hormone ziehen die Blutgefäße zusammen)

Uff... da hab ich ja eine Menge auswendig zu lernen...

Merk dir einfach nur, dass diese beiden Formen der Aufnahme ins Blut verschiedenen Einflüssen unterliegen. Und wenn man ein bisschen darauf achtgibt, dann kann man die Wirkungsweisen so abstimmen, dass Glucose und Insulin zur selben Zeit im Blut eintreffen.

Du kannst dir ja vorstellen, dass das optimal ist. Kommen erst die Glucosepakete, dann stapeln die sich in den Gängen und der Blutzucker steigt zu sehr.
Kommen erst die Arbeiter des Insulintrupps, dann räumen die zu sehr auf und der Blutzucker sinkt zu sehr. Kommen immer so viele Arbeiter wie Glucosepakete, dann ist immer alles schön aufgeräumt.
Es ist also eine Frage der Zeit, wann man welche Seite auf den Weg schickt, und das macht man mit dem Spritz-Ess-Abstand. Aber das war jetzt eine ganze Menge. Mach erstmal eine Pause zum Sacken-lassen und wir treffen uns dann gleich auf der nächsten Seite...

 

HbA1c

Freddy erklärt Gustle das HbA1c Meine Güte, wer soll sich denn diesen Namen merken können?

Ach, das ist wie mit jedem Namen. Anfangs ist er unbekannt, und mit der Zeit geht er einem immer leichter von den Lippen. Man muss ihn nur mit einem Bild verknüpfen.
Und diesen Namen kannst du mit "Langzeit-Blutzuckerspiegel" verknüpfen.

Häh? Ein Blutzuckerspiegel, der lange Zeit her ist?

Ja, könnte man fast so sagen. Wenn man in jeder Sekunde den Blutzucker messen würde, die Ergebnisse dann drei Monate sammelt, dann alles addiert und durch die Anzahl der Messungen teilt, was hat man dann?

Na einen Durchschnitt...

Genau, und zwar einen, der in "langer Zeit" entstanden ist.

Also ist der HbA1c sowas wie ein Taschenrechner? Kann ja wohl nicht sein...

Ist es auch nicht. Und es heißt auch das HbA1c
Die Glucose hat ja auch chemische Eigenschaften. Und eine davon ist: sie verbindet sich mit Eiweiß. Ich will dir jetzt keine Chemiestunde geben, daher ganz vereinfacht:

  • Glucose klebt sich an Eiweiß
  • Je mehr Glucose im Blut ist, also je höher der Blutzuckerspiegel, desto mehr Glucose kann sich auch an Eiweiß kleben.
  • Wenn es dort länger als 4 Stunden bleibt, dann kann es sich nicht mehr ablösen
  • Sinkt der Blutzuckerspiegel bevor diese Zeit um ist, dann kann es sich sehr wohl wieder ablösen

Du kannst dir das vorstellen wie in einer Badewanne. Wenn du von der Gartenarbeit richtig dreckig heimkommst und badest, dann wird auch die Badewanne dreckig.

Du meinst diesen Schmutzrand?

Ja genau. An dem kannst du ja sehen, wieviel Wasser in der Wanne war. Wenn du sofort nach dem Baden mit dem Brausekopf Wasser darüber laufen lässt, dann löst sich der Schmutzrand ganz leicht.

Ja ist klar. Und wenn ich ein paar Tage warte, dann muss ich mit der Scheuerbürste da ran.

Stimmt. Dann hat sich der Schmutz festgesetzt. Aber spielen wir das mal weiter: Dein kleiner Bruder badet auch dort. Der braucht aber weniger Wasser als du. Also ist der Schmutzrand nicht so hoch.
Dummerweise ist er zu faul die Wanne sauber zu machen, tagelang. Und jetzt kommst du und badest.

Ach verstehe: dann sind da zwei Ränder. Der von meinem Bruder und der von mir.

Richtig. Und wenn du nach dem Bad sofort die Brause darüber hältst?

Sieht man nur noch den von meinem Bruder...

Und so geht das auch mit der Glucose: Wenn der Blutzuckerspiegel nur ganz kurz mal zu hoch ist und man möchte sich irgendwann mal den Rand ansehen...

...sieht man nur den von den Tagen, wo er zu lange zu hoch war. Aber dann sagt das ja gar nichts aus. Wenn der Rand schön niedrig ist, dann kann doch trotzdem der Blutzuckerspiegel auch mal ganz kurz zu hoch gewesen sein. Ist das denn nicht so schlimm?

Doch natürlich. Auch das schädigt auf lange Sicht z.B. die Nerven oder die Blutgefäße.

Und dieser "Rand" ist dann das HbA1c?

Ja. Hb ist die Abkürzung für Hämoglobin. Das ist der rote Blutfarbstoff, und der ist eben ein Eiweiß.

Und dieses A1c?

Das ist für uns beide nicht so wichtig zu wissen. Das sind nur Untergruppen des Hämoglobins.
Wichtig für uns ist, was du schon erkannt hast: ein niedriges HbA1c allein sagt noch nicht aus, das alles super gut ist. Dazu muss man sich auch noch die einzelnen Messwerte anschauen, die sich ein Diabetiker so im Lauf der Zeit notiert hat.
Dagegen sagt ein hohes HbA1c schon deutlich aus, dass etwas nicht so gut gelaufen ist.

Wie hoch darf denn ein HbA1c sein, damit alles noch normal ist?

Das ist ganz unterschiedlich. Es kommt auf das Labor an, mit welcher Methode sie das misst.
Den Schmutzrand in der Badewanne kannst du auch mit einem deutschen Zollstock messen oder mit einem amerikanischen. Bei beiden kommen unterschiedliche Zahlen raus, weil wir in Zentimetern messen und die Amerikaner in Zoll.

Bei den meisten Laboren liegt das so zwischen 4,5 und 6,5%

Häh? Wieso denn in Prozent? Ich dachte wir messen in anderen Einheiten...

Das stimmt schon. Aber die Zahl sagt ja auch nicht, wie hoch der Blutzucker war, sondern wieviel Prozent des Hämoglobins verzuckert geblieben sind.
Wenn du mit dem Zollstock in der Badewanne misst, dann bekommst du ja auch ein Ergebnis in Zentimeter und nicht in Litern.

Ja schon, aber das kann ich dann ja ausrechnen. Da muss ich nur das Volumen berechnen.

Schlauer Bursche! Das kann man beim HbA1c auch, nur ist da die Formel komplizierter.
Aber damit das nicht ganz so kompliziert ist habe ich mal eine Tabelle mit ein paar Werten gemacht.

Hba1c-Tabelle

Da kann man mit den Farben auch schon erkennen, was gut und was weniger gut ist.

Und was bedeuten die Ausrufezeichen?

Die sind als Warnung gedacht. Wenn das HbA1c sooo tief ist, dann ist auch der durchschnittliche Blutzuckerspiegel sehr niedrig. Und dann kann es sein, dass man eine Unterzuckerung erst sehr spät bemerkt. Und die kann ja dazu führen, dass man ohnmächtig wird, wenn man nicht schnell genug etwas dagegen tut.

Du musst ja immer bedenken: Durchschnitt heißt, dass es Werte gibt die darüber liegen und auch Werte, die darunter liegen. Nimm mal 20 plus 220: 20 ist sehr tief und 220 ist sehr hoch. Zählt man die beiden zusammen ergibt das 240. Und weil es zwei Werte sind muss man auch durch zwei teilen, um auf den Durchschnitt zu kommen: 120, und das ist völlig in Ordnung, wenn es der Blutzucker in Milligramm pro Deziliter ist. Abgekürzt: mg/dl.

Mir hat letztens aber einer gesagt sein Blutzucker wäre 6 und das wäre supergut...

Dann hat der eine andere Maßeinheit genommen. Wie es bei den Längenmaßen Zentimeter und Zoll gibt, so gibt es beim Blutzucker Milligramm pro Deziliter und Millimol pro Liter (mmol/l). Was das genau ist würde zu weit führen; Merk dir einfach die Zahl 18.

Und warum gerade die?

Weil ein Millimol pro Liter 18 Milligramm pro Deziliter entspricht.

Willst du also den Wert 6 mmol/l umrechnen - 6 mal 18 ergibt 108 - dann sind das 108 mg/dl.

Und die 120 mg/dl sind - 120 geteilt durch 18 ergibt 6,7 - dann sind das 6,7 mmol/l. Auf mehr als eine Nachkommastelle kommt es da nicht an.

Na schön. Jetzt weiß ich was das HbA1c ist; aber was genau sagt das eigentlich aus?

Na ich dachte schon, du fragst mich nie...
Es sagt aus, wie hoch der durchschnittliche Blutzucker in den letzten 6-8 Wochen war.

Und wieso gerade 6-8 Wochen?

Ich hab dir ja gesagt, dass es am Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff gemessen wird. Und das sitzt in den roten Blutkörperchen. Die misst man deshalb, weil man genau weiß, dass die etwa 3 Monate alt werden. Dann werden sie vom Körper abgebaut und gegen neue, frische ausgetauscht.

Dann verstehe ich es erst recht nicht. Dann müsste man doch sagen können:
Das HbA1c sagt aus, wie hoch das in den letzten drei Monaten war. Häh?

Na nun beruhig dich mal wieder...
Es ist ja nicht so, dass auf einen Schlag alle roten Blutkörperchen ausgetauscht werden. Es gibt da immer ein paar ganz junge, mittelalte und steinalte Blutkörperchen. Und während die alten schon viel mitgemacht haben und entsprechend verzuckert sind, so sind die jungen noch völlig frei davon.
Und deswegen ist das, was man messen kann also der Durchschnitt, und das sind etwa 6-8 Wochen.

Na toll: dann messen wir den Durchschnitt vom Durchschnitt...

(grinsend) Ja, könnte man so sagen...
Aber jetzt mal sehen ob du aufgepasst hast: Sagen wir mal, du bist Diabetiker und sollst morgen früh zum Doktor kommen um dein HbA1c messen zu lassen. Was bringt es dir, wenn du heute schön auf deinen Blutzucker achtgibst, damit der morgen nicht zu hoch ist?

Na gar nichts. Wenn in den Durchschnitt so viele Tage, Stunden, Minuten und Sekunden eingehen, dann bringt mir ein guter Tag auch nicht mehr viel.

Bravo! Damit hast du die Kurzprüfung bestanden und darfst jetzt in die wohlverdiente Pause gehen. Und im nächsten Kapitel erzähle ich dir etwas über die Nierenschwelle...